Paartherapie: Wie das Genogramm hilft, Beziehungsmuster zu verstehen
Beziehungen sind komplex. Jeder Mensch bringt seine eigene Geschichte, Erfahrungen, Prägungen und oft auch ungelöste Konflikte in die Partnerschaft mit. In der Paartherapie hilft ein wichtiges Werkzeug, genau diese verborgenen Dynamiken sichtbar zu machen: das Genogramm.
Was ist ein Genogramm?
Ein Genogramm ist mehr als ein Familienstammbaum. Es ist ein grafisches Hilfsmittel, das familiäre Beziehungen, Konflikte, Lebensereignisse und emotionale Muster über mindestens drei Generationen hinweg abbildet. Dabei werden nicht nur Geburtsdaten und Verwandtschaftsverhältnisse dargestellt, sondern auch emotionale Bindungen, Konflikte, Verluste, Wiederholungen und familiäre Rollen.
Warum ist das Genogramm in der Paartherapie so hilfreich?
In der Paartherapie bietet das Genogramm einen strukturierten Einstieg, um unbewusste Muster in der Partnerschaft sichtbar zu machen. Oft wiederholen sich in Beziehungen alte Dynamiken, die aus der Herkunftsfamilie stammen – ohne dass den Beteiligten das bewusst ist. Hier einige typische Beispiele:
Eine Partnerin fühlt sich häufig alleingelassen – ein Muster, das sie bereits aus ihrer Kindheit kennt.
Ein Partner reagiert auf Konflikte mit Rückzug, weil Streit in seiner Familie tabu war.
Beide Partner kämpfen um Anerkennung – weil sie in ihren Herkunftsfamilien um Liebe und Aufmerksamkeit „konkurrieren“ mussten.
Das Genogramm ermöglicht es, diese transgenerationalen Übertragungen zu erkennen und bewusst zu machen.
Der Ablauf: Genogrammarbeit in der Therapie
Erhebung der Familiendaten: Die Partner erstellen gemeinsam (oder einzeln) ein Genogramm, das Eltern, Großeltern, Geschwister, Kinder und wichtige Bezugspersonen enthält. Dabei werden zentrale Lebensereignisse, wie Scheidungen, Todesfälle, Traumata oder Krankheiten mit aufgenommen.
Emotionale Beziehungen darstellen: Die emotionale Qualität der Beziehungen wird mit Symbolen oder Farben dargestellt – z. B. enge Bindung, Konflikt, Distanz, Missbrauch etc.
Deutung und Reflexion: In der Sitzung reflektieren die Partner zusammen mit der Therapeutin oder dem Therapeuten, wie bestimmte Muster ihre Beziehung heute beeinflussen.
Ressourcen erkennen: Neben problematischen Mustern werden auch Ressourcen und Stärken sichtbar – etwa unterstützende Familienmitglieder, gelungene Bewältigungsstrategien oder stabile Paarbeziehungen in der Herkunftsfamilie.
Was bringt das Genogramm der Beziehung?
Das Genogramm wirkt oft wie ein Spiegel, in dem sich die Beziehungsdynamik in einem grösseren Zusammenhang zeigt. Es bringt Erklärungen für Verhaltensweisen, die vorher „unerklärlich“ schienen, und fördert Empathie zwischen den Partnern. Wenn beide erkennen, woher bestimmte Reaktionsmuster stammen, fällt es leichter, nicht in gegenseitige Schuldzuweisungen zu verfallen, sondern gemeinsam nach Lösungen zu suchen.
Ich kann Ihnen sagen, das Genogramm ist wie ein Schlüssel zur Beziehungstiefe.
In der Paartherapie ist das Genogramm ein kraftvolles Instrument, um zu verstehen, woher wir kommen – und damit auch, wie wir lieben, streiten, vertrauen und uns schützen. Es öffnet den Raum für einen tieferen Dialog zwischen den Partnern und legt den Grundstein für Veränderung.
Wer bereit ist, gemeinsam mit seinem Partner oder seiner Partnerin die eigene Familiengeschichte zu erkunden, kann neue Wege finden – raus aus alten Mustern, hin zu einer bewussteren, reiferen Beziehung.
Herausforderung eines jeden Paares mit kleinen Kindern….Ein Blick aus der Paarberatung
Immer wieder kommen junge Paare zu mir in die Praxis, die von ihrem wundervollen, aber auch sehr herausfordernden Alltag erzählen…
Die Freude über den Nachwuchs wird oft von Schlafmangel, Alltagsstress und den vielen kleinen und großen Herausforderungen begleitet. In der Paarberatung wird deutlich, wie wichtig es ist, diese Herausforderungen gemeinsam anzugehen und die Beziehung trotz der Veränderungen zu stärken.
Einer der größten Belastungsfaktoren ist der Schlafmangel. Nächtliches Aufstehen, Windelwechsel und das ständige Pendeln zwischen den Bedürfnissen des Kindes und den eigenen Anforderungen führen häufig zu Erschöpfung. Diese Erschöpfung kann die Geduld und das Verständnis im Partnerverhältnis auf die Probe stellen.
Mit kleinen Kindern verändert sich oft auch die Partnerschaft. Gemeinsame Zeit für Zweisamkeit wird rar, und die körperliche Nähe leidet. Das kann zu Frustration und Missverständnissen führen, wenn nicht offen darüber gesprochen wird.
Viele Paare kämpfen mit der Frage, wer welche Aufgaben übernimmt. Traditionelle Rollenbilder oder individuelle Erwartungen können zu Konflikten führen, wenn sich Partner nicht einig sind, wer für was zuständig ist.
Der Alltag mit Kindern lässt wenig Raum für eigene Bedürfnisse oder gemeinsame Aktivitäten. Das Gefühl, sich selbst zu verlieren oder den Partner kaum noch zu sehen, kann die Beziehung belasten.
Stress und Müdigkeit können die Kommunikation erschweren. Missverständnisse häufen sich, und Konflikte werden häufiger. Hier ist es wichtig, Wege zu finden, offen und respektvoll miteinander zu sprechen.
In der Paarberatung geht es darum, diese Herausforderungen gemeinsam zu erkennen und Strategien zu entwickeln, um die Beziehung zu stärken. Dabei werden Themen wie Kommunikation, Rollenverteilung, gemeinsame Zeit und gegenseitiges Verständnis in den Mittelpunkt gestellt. Ziel ist es, das Paar zu unterstützen, auch in stressigen Zeiten eine liebevolle und respektvolle Partnerschaft zu bewahren.
Die Zeit mit kleinen Kindern ist eine besondere Phase, die viel von den Eltern fordert. Es ist normal, dass es zu Herausforderungen kommt. Wichtig ist, diese gemeinsam anzugehen, offen miteinander zu sprechen und sich Unterstützung zu holen, wenn es nötig ist. Eine Paarberatung kann dabei ein wertvoller Begleiter sein, um die Beziehung auch in dieser intensiven Zeit zu stärken.
Das Dilemma…unterschiedliche Bedürfnisse
Heute möchte ich einen Blogbeitrag zum Thema Nähe und Distanz in der Partnerschaft veröffentlichen. Häufig kommen Paare zu mir, die mit dieser Thematik konfrontiert sind und teilweise verzweifelt nach Lösungen suchen. In diesem Beitrag möchte ich euch die erste Intervention vorstellen – meiner Meinung nach die wichtigste Methode –, die sehr häufig gut angenommen wird und den Paaren eine Möglichkeit bietet, eine gesunde Balance in Bezug auf dieses herausfordernde Thema zu finden.
In jeder Partnerschaft bewegt sich das Paar auf einem schmalen Grat zwischen Nähe und Distanz. Zu viel Nähe kann erdrückend wirken, während zu viel Distanz die Beziehung entfremden kann. Die Herausforderung besteht darin, ein Gleichgewicht zu finden – eine Balance, die beiden Partnern erlaubt, sich verbunden zu fühlen, ohne ihre eigene Autonomie zu verlieren. In der Paartherapie ist dieses Spannungsfeld ein zentrales Thema, denn viele Konflikte und Missverständnisse wurzeln genau hier.
Nähe steht für emotionale Verbundenheit, Intimität, gemeinsames Erleben und das Gefühl, gesehen und verstanden zu werden. Menschen, die ein starkes Bedürfnis nach Nähe haben, sehnen sich nach regelmäßiger Kommunikation, körperlicher Zuwendung und dem Gefühl, „eins“ mit dem Partner zu sein. Sie erleben Sicherheit, wenn sie eng verbunden sind.
Distanz bedeutet nicht Ablehnung. Sie steht für Selbstbestimmung, Freiraum, Individualität und den Wunsch, sich auch als eigenständige Person zu erleben. Menschen mit einem stärkeren Bedürfnis nach Distanz brauchen Zeit für sich, eigene Hobbys, Rückzugsorte und Entscheidungsfreiheit – ohne dass dies als Mangel an Liebe interpretiert werden sollte.
Meine erste und meiner Meinung nach wichtigste Intervention ist das Verstehen und Erkennen der Bindungsmuster des Paares durch die Erstellung eines Genogramms.
Möchtet ihr wissen, was ein Genogramm ist? Mehr dazu erfahrt ihr in meinem nächsten Blog.
Perspektivenübernahme in der Partnerschaft
Ich möchte euch heute, natürlich anonymisiert, ein Fallbeispiel aus meiner Arbeit mit Paaren vorstellen, bei dem ich mit der Anwendung von Methoden aus dem Psychodrama, sehr gute Erfahrungen gemacht habe.
Ausgangssituation:
Ein Paar in den mittleren Vierzigern kam in die Praxis. Die Beziehung war seit Jahren angespannt. Die Partnerin fühlte sich „nicht gesehen“ und war emotional erschöpft. Der Partner verstand zwar, dass sie „mehr Aufmerksamkeit“ wollte, blieb aber emotional distanziert.
Intervention:
Ich bat beide, eine typische Alltagsszene zu inszenieren: Die Partnerin kommt abends von der Arbeit nach Hause, erzählt von einem schwierigen Gespräch mit ihrer Kollegin, er sitzt dabei am Handy. Nach dem ersten Durchlauf, bei dem beide ihre eigenen Rollen spielten, leitete ich den Rollenwechsel ein: Er spielte nun sie, sie spielte ihn. In dieser neuen Konstellation wiederholten sie die Szene.
Nach wenigen Minuten wurde der Partner (in der Rolle der Frau) emotional bewegt. Er sprach stockend: „Ich erzähle dir gerade etwas Wichtiges… und du schaust nicht mal hoch.“ Er hielt inne, Tränen stiegen auf. Danach sagte er in seiner eigenen Rolle: „Ich habe nicht geahnt, wie allein sie sich da fühlt.“
Ergebnis:
In der Folge wandelte sich der Umgang der beiden sichtbar. Die Partnerin fühlte sich erstmals wirklich „verstanden“, der Partner beschrieb, dass ihm „etwas aufgegangen“ sei – und begann, sich aktiver emotional einzubringen.
Psychodrama in der Paartherapie ist KEIN „Theaterstück“, sondern eine Methode, die das Unsagbare erlebbar macht. Die Technik des Rollenwechsels ermöglicht eine Form von Perspektivübernahme, die nicht nur verstanden, sondern gefühlt wird.
In einer Zeit, in der viele Paare im Dialog verharren, aber sich nicht erreichen, bietet Psychodrama einen Weg, sich tatsächlich im Innersten zu begegnen.
Ich möchte euch heute, natürlich anonymisiert, ein Fallbeispiel aus meiner Arbeit mit Paaren vorstellen, bei dem ich mit der Anwendung von Methoden aus dem Psychodrama, sehr gute Erfahrungen gemacht habe.
Ausgangssituation:
Ein Paar in den mittleren Vierzigern kam in die Praxis. Die Beziehung war seit Jahren angespannt. Die Partnerin fühlte sich „nicht gesehen“ und war emotional erschöpft. Der Partner verstand zwar, dass sie „mehr Aufmerksamkeit“ wollte, blieb aber emotional distanziert.
Intervention:
Ich bat beide, eine typische Alltagsszene zu inszenieren: Die Partnerin kommt abends von der Arbeit nach Hause, erzählt von einem schwierigen Gespräch mit ihrer Kollegin, er sitzt dabei am Handy. Nach dem ersten Durchlauf, bei dem beide ihre eigenen Rollen spielten, leitete ich den Rollenwechsel ein: Er spielte nun sie, sie spielte ihn. In dieser neuen Konstellation wiederholten sie die Szene.
Nach wenigen Minuten wurde der Partner (in der Rolle der Frau) emotional bewegt. Er sprach stockend: „Ich erzähle dir gerade etwas Wichtiges… und du schaust nicht mal hoch.“ Er hielt inne, Tränen stiegen auf. Danach sagte er in seiner eigenen Rolle: „Ich habe nicht geahnt, wie allein sie sich da fühlt.“
Ergebnis:
In der Folge wandelte sich der Umgang der beiden sichtbar. Die Partnerin fühlte sich erstmals wirklich „verstanden“, der Partner beschrieb, dass ihm „etwas aufgegangen“ sei – und begann, sich aktiver emotional einzubringen.
Psychodrama in der Paartherapie ist KEIN „Theaterstück“, sondern eine Methode, die das Unsagbare erlebbar macht. Die Technik des Rollenwechsels ermöglicht eine Form von Perspektivübernahme, die nicht nur verstanden, sondern gefühlt wird.
In einer Zeit, in der viele Paare im Dialog verharren, aber sich nicht erreichen, bietet Psychodrama einen Weg, sich tatsächlich im Innersten zu begegnen.